Emotionale Standortbestimmung im Coaching

Wie visuelle Tools helfen, Gefühle sichtbar zu machen
Es gibt diesen Moment zu Beginn einer Coachingsitzung, da liegt vieles in der Luft – Themen, Gedanken, Fragen. Aber oft fehlt noch etwas: ein Gefühl dafür, wo man eigentlich steht. Emotional. Innerlich.
Hier beginnt für mich die Arbeit mit visuellen Tools zur emotionalen Standortbestimmung. Sie schaffen nicht nur Struktur, sondern geben dem Unsichtbaren – unseren Gefühlen, Empfindungen und Stimmungen – eine Form, eine Farbe, eine Karte.
Warum überhaupt emotionale Standortbestimmung?
Emotionen sind nicht das Beiwerk eines Coachings, sondern oft der eigentliche Kern. Sie zeigen, was wichtig ist, wo Schmerz liegt, wo Sehnsucht hinzieht. Und doch: Viele Klient:innen tun sich schwer, Gefühle zu benennen – geschweige denn, sie zu sortieren oder einzuordnen.
Visuelle Methoden setzen genau hier an. Sie machen das Unsichtbare sichtbar. Sie laden zur Selbsterkundung ein, ohne dass gleich Worte gefunden werden müssen. Sie schaffen Sicherheit, Struktur – und eröffnen den Raum für ehrliche Gespräche.
Manchmal braucht es nur ein Bild, damit Gefühle sprechen lernen.
- Jan Menzel
Aus der Praxis: Als plötzlich ein Bild die Tür öffnete
Ich musste das selbst erst lernen. Ich hatte einmal eine Klientin, die absolut im Kopf war. Sehr reflektiert, analytisch, klar in der Sprache – aber emotional wie durch eine Milchglasscheibe getrennt. Immer wenn ich sie fragte, was sie denn dazu fühle, kam … nichts. Oder nicht viel. Sie hatte schlicht keinen Zugang zu ihren Gefühlen und konnte sie nicht wirklich in Worte fassen.
Ich habe dann versucht, ihr Brücken zu bauen – mit besseren Fragen, kleinen Experimenten. Doch nichts brachte wirklich Bewegung. Ich war selbst ein wenig ins Straucheln geraten, bis ich anfing, mit visuell-orientierten Tools und Metaphern zu arbeiten.
Und da passierte es: Der Knoten platzte.
Wir nutzten eine einfache visuelle Karte, auf der sie intuitiv markieren konnte, wo sie sich gerade emotional verortet. Auf einmal hatte sie ein Bild vor Augen. Und wir hatten eine gemeinsame Sprache. Ab da konnten wir immer wieder auf dieses Bild zurückkommen – in ganz unterschiedlichen Situationen. Es war, als hätten wir einen neuen Raum für ihren Prozess geöffnet.
Seitdem gehören diese Tools fest zu meinem Werkzeugkoffer – besonders dann, wenn der Prozess ein wenig ins Stocken gerät.
Drei Tools, die ich immer wieder verwende
1. Landkarte der Befindlichkeiten
Eine einfache, aber unglaublich wirkungsvolle Methode. Auf einer gestalteten Karte finden sich verschiedene Zonen – von „frustriert“ bis „hoffnungsvoll“, von „verloren“ bis „neugierig“.
Die Klient:innen markieren, wo sie sich gerade befinden – und manchmal auch, wohin sie sich wünschen.
👉 Zur Methode: Landkarte der Befindlichkeiten
Was daran so kraftvoll ist: Es entsteht sofort ein visuelles Bild, das zum Sprechen einlädt. Die Karte wird zum Gesprächspartner – und oft auch zum Kompass für die weitere Sitzung.
2. Wetterkarte der Gefühle
Dieses Tool funktioniert ähnlich – aber mit einer anderen Metapher: dem Wetter.
Sonne, Nebel, Gewitter, Regenbogen – all das steht sinnbildlich für emotionale Zustände. Manche Klient:innen finden über diese metaphorische Sprache leichter Zugang zu ihren Gefühlen.
👉 Zur Methode: Wetterkarte der Gefühle
Ich verwende die Wetterkarte gerne in Kombination mit Körperwahrnehmung oder Atemarbeit – um von der reinen Kopfebene in eine fühlende Präsenz zu kommen.
3. Lebensrad
Das Lebensrad ist ein Klassiker, aber unterschätzt, wenn es um emotionale Standortbestimmung geht.
Zwar wirkt es zunächst sachlich – acht Lebensbereiche, Einschätzung auf einer Skala –, aber gerade das fördert ehrliche Innenschau: Wie zufrieden bin ich wirklich mit meinem sozialen Umfeld? Mit meiner Selbstfürsorge?
Die Emotionen liegen oft hinter den Zahlen.
Impuls: Lass deine Klient:innen nach dem Ausfüllen benennen, was sie beim Blick aufs Rad spüren. Nicht was sie denken. Sondern: Was spürst du, wenn du das siehst?
Mein Fazit – und eine Einladung
Visuelle Tools sind keine Spielerei. Sie sind ein Türöffner. Sie helfen, dass Menschen sich selbst besser verstehen – und du als Coach schneller Zugang bekommst zu dem, was wirklich zählt.
Wenn du das nächste Mal merkst, dass deine Klient:innen schwer in ihre Gefühlswelt kommen, probier eines dieser Tools aus.
Vielleicht wird die Karte, das Wetter oder das Rad genau das, was den entscheidenden Impuls setzt.